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Amtsgericht Lüdenscheid: Therapiechance für Dieb

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Lüdenscheid - Mit seinen gerade 26 Lebensjahren hat der Mann noch nichts Vernünftiges angefangen. Kein Schulabschluss, kein erlernter Beruf, keine Arbeit, keine Wohnung, kein Geld, dafür ein uneheliches Kind, Haftstrafen, immer neue Delikte. Das alles flankiert von ungebremster Sucht nach Heroin, Kokain, Amphetamin, Marihuana, Alkohol und Nikotin.

Es ist nicht klar, ob die schwere Psychose des notorischen Diebes Ursache oder Folge dieses Lebens ist. Strafverteidiger Frank-Peter Rüggeberg will, dass sein Mandant in den Maßregelvollzug wandert anstatt ins Gefängnis.

Doch die Chancen stehen zunächst nicht gut. Das Erweiterte Schöffengericht verfügt über eine Strafgewalt von bis zu vier Jahren. Eine Therapie kommt nur in Frage, wenn das verhängte Strafmaß drei Jahre nicht überschreitet.

Der Staatsanwalt liest aus der Anklageschrift vor: 29 Tatvorwürfe. Es klingt nach Dreistigkeit und Skrupellosigkeit, vor allem aber nach Feigheit, was der junge Mann angestellt hat. Denn nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sucht sich der mehrfach Vorbestrafte seine Opfer vorzugsweise bei den Schwachen und Wehrlosen. Ob es ein Personalraum in einem Supermarkt ist oder ein unverschlossenes Hotelzimmer, ein Firmenbüro oder ein Kindergarten, sogar Privatzimmer im Altenheim oder Krankenzimmer in einer Klinik – der Dieb nutzt Gelegenheiten, schleicht sich an, greift zu und ist wieder weg. „Ich war in erster Linie an Bargeld interessiert.“ Deshalb auch raubte er einem 13-jährigen Schüler 55 Euro. Gegenstände zu klauen und zu versetzen, das sei ihm zu aufwändig gewesen, sagt er zu Amtsrichter Jürgen Leichter.

Auch Diebstähle von Telefonkarten aus Krankenzimmern des Klinikums sollen auf das Konto des 26-Jährigen gehen. Aber da winkt er ab. „Das passt rein gar nicht in mein Schema rein.“ Das werde wohl sein Komplize gewesen sein, mit dem er durch die Stadt gezogen ist. Der Ex-Freund steht auf der Fahndungsliste und ist derzeit nicht auffindbar. Dass er der Ladung als Zeuge folgt, hat das Gericht nicht ernsthaft erwartet, wie Leichter sagt.

Dafür sagen Opfer aus. Die ehemaligen Patientinnen schildern, wie ihnen ein Mann nachts die Telefonkarten aus dem Apparat gezupft hat. Die Personenbeschreibung passt nicht auf den Angeklagten, wohl aber auf den verschwundenen Komplizen. Das Gericht stellt diese Verfahren gegen den Angeklagten ein.

Übrig bleiben immer noch ausreichend Gründe für eine Verurteilung. Doch Rechtsanwalt Frank-Peter Rüggeberg ist zufrieden. Zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe verhängen die Richter. Ziel erreicht.

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